The Planet Rockers – Das Comeback einer Kultband
Vor etwa 25 Jahren finden sich vier begnadete Musiker in Nashville. Zwei Kultalben werden veröffentlicht, bevor es ruhig wird um das Quartett und die Bandmitglieder immer öfter mit anderen Projekten auf der Bühne und im Studio stehen. Vor ein paar Jahren findet man wieder zusammen und das neue Studioalbum zeigt, dass die Geschichte der Planet Rockers längst nicht abgeschlossen ist.
Wie habt ihr euch kennengelernt und was war eure Hauptmotivation, die Planet Rockers zu gründen?
Eddie Angel: Wir wollten berühmt werden und das haben wir ja auch wirklich erreicht. (alle lachen) Ernsthaft, Mark und ich waren damals gerade nach Nashville gezogen und Sonny ist aus Nashville. Ich wollte einfach nur Musik machen, die Musik, die ich mag.
Mark W. Winchester: Vielleicht hat uns auch Sonny mit seinem unwiderstehlichen Wolfsgeheul nach Nashville gelockt.
Sonny George: Ich bin halt eine unwiderstehliche Persönlichkeit! Jedenfalls war ich damals ein Gelegenheitsarbeiter und LKW-Fahrer und ich besuchte öfter denselben Plattenladen wie Eddie. Dort haben wir uns kennengelernt. Er erzählte mir, dass er eine Band gründen will und er fragte mich, ob ich Bass spielen kann und ich bejahte. So wurde ich der erste Bassist der Los Straitjackets, wenn auch nur für ungefähr eine Woche, denn ich konnte gar keinen Bass spielen. (lacht) Anschließend sang ich dann ab und zu obskure Rockabilly-Stücke mit dieser Band, die eigentlich nur Instrumentalstücke spielt. Als die ursprünglichen Los Straitjackets sich letztendlich auflösten, entschieden Eddie und ich, eine Band mit Sänger zu formieren. Eddie traf dann Mark bei einem Videodreh, die beiden kamen ins Gespräch und wir überzeugten ihn mitzumachen, obwohl wir ihn vorher nie spielen gehört hatten. Wir wussten einfach, dass er ein guter Bassspieler ist, allein durch das Reden.
Bill Swartz: Ich war mit dem ursprünglichen Drummer der Los Straitjackets befreundet. Er erzählte mir von den anderen und dass da was in Gang kommt, was mir eventuell gefallen könnte – und ja, es gefiel mir. So kam ich zur Band.
Die Planet Rockers fassen Fuß
Wie schwer war es dann, als Band durchzustarten, und wie kam es schließlich zu dem Plattenvertrag mit No Hit Records?
Sonny George: In Nashville schauen sie viel auf die Optik und dann wird man sofort danach beurteilt – Daumen hoch oder Daumen runter. So kam es, dass unsere ersten Gigs im 30 Kilometer entfernten Memphis stattfanden. Paul Kennerley, der wohl der bekannteste Songwriter aus Nashville ist und viel mit den Judds und Marty Stewart gemacht hat, war bei unserem ersten Gig und lud uns in sein Studio ein. Wir nahmen ein Demo auf, der erste Song war „Truck Drivers Rock“, der live eingespielt wurde und mit der ersten Aufnahme dann auch gleich stand. Wir standen dann mehrmals kurz vor einem Plattenvertrag mit Labels aus Nashville und Dallas, aber letztendlich hat das doch irgendwie nie funktioniert.
Eddie Angel: Wir hatten zusätzlich ein paar positive Berichte in der lokalen Presse und die Leute begannen, sich für uns zu interessieren und zu unseren Shows zu kommen. Barnie Koumis, der Mann, der hinter No Hit Records steht, war mit Mike Smyth von dem bereits erwähnten Plattenladen in Nashville befreundet. So kam der erste Kontakt mit No Hit Records zustande.
Die Planet Rockers haben 1991 den Opener für Morrissey auf seiner „Kill Uncle“-Tour in den Staaten gemacht. Was war das für eine Erfahrung?

Eddie Angel: Das war furchterregend! Während der Auftritte wurden Sachen auf uns geschmissen, wir mussten auf der Bühne ständig zur Seite springen und uns wegducken.
Mark W. Winchester: Morrissey hat uns geliebt und auch seine Band, in der ja auch Boz Boorer war, hat uns geliebt. Aber die Leute wollten letztendlich nur Morrissey sehen und waren irgendwie ungeduldig. Wir hatten trotzdem eine großartige Tour, bis sie vorzeitig abgebrochen wurde, aus welchen Gründen auch immer. Wir hatten keine Ahnung davon, bis wir zum nächsten Gig fuhren und überall heulende und am Boden zerstörte Menschenmassen auf den Bürgersteigen sahen. Wir wollten wissen, was los sei. Man erzählte uns, Moz sei zurück nach Europa geflogen. Wir sagten ihnen „Das muss Blödsinn sein, denn wir sind zusammen auf Tour“. Irgendwann haben wir dann herausgefunden, dass sie doch recht hatten und er einfach weg war.
Eddie Angel: Dann gab es noch diesen Gig in Los Angeles. Wir haben unser Set heruntergespielt und dann kam die Polizei zu uns in den Backstage. Sie erzählten uns, dass sie die Show beenden werden, weil die Leute vor der Bühne zerquetscht würden und forderten uns auf, bitte gleich zu gehen. Wir gingen dann auch ins Hotel. Die Polizei ging offensichtlich hinaus und wollte das Ende der Show verkünden, aber sie konnte die Meute nicht stoppen. Die Leute liefen schließlich alle Amok und machten Randale. Am Ende wurden die Merchandise-Stände geplündert und alles mitgenommen. Nur unsere Sachen wurden nicht angefasst. (lacht)
Mark W. Winchester: Einige Leuten wurden bei dem Versuch verletzt, unserem „Müll“ unter allen Umständen aus dem Weg zu gehen. (lacht)
Weg und doch nicht weg
Warum und wann kam es dann zur ersten Trennung der Planet Rockers?
Eddie Angel: Wir haben uns dann 1991 oder 1992 aufgelöst, weil wir unseren Lebensunterhalt verdienen mussten. Wir hatten ein Jahr lang versucht, als professionelle Band zu leben, aber das hat leider nicht funktioniert.
Ihr seid aber alle der Musik weiter verbunden geblieben. Erzählt uns doch mal von euren anderen Bands, bei denen ihr mitgespielt habt!
Eddie Angel: Ich habe die Los Straitjackets wieder ins Leben gerufen, The Neander-thals gegründet und war an einigen anderen Geschichten beteiligt, unter anderem auch als Gitarrist für Ronnie Dawson.
Bill Swartz: Ich habe für mehrere Künstler und auf verschiedenen Alben die Drums eingespielt.
Mark W. Winchester: Ich habe Touren mit Emmylou Harris gespielt und bin irgendwann bei Brian Setzer gelandet.
Mark, so viel ich weiß, hast du den Bass sowohl bei seinem Orchester als auch bei seinem Trio gespielt. Wie ist es denn, mit einer Szenegröße wie Brian Setzer zu arbeiten?
Mark W. Winchester: Ja, ich spielte sowohl im Brian Setzer Orchestra als auch im Trio als „68 Comeback Special“. Das war eine großartige Erfahrung. Er ist ein so unglaublicher Gitarrist und Performer und die Shows waren immer voller Energie. Ich habe mich auch als Musiker wesentlich weiterentwickeln können. Das war einfach eine tolle Geschichte.
Die Rückkehr der Planet Rockers
Wie kam es schließlich zur Wiedervereinigung der Planet Rockers?
Sonny George: Ich war ziemlich krank vor etwa sechs Jahren und als es mir langsam wieder besser ging, haben mich Eddie und Bill besucht. Wir haben über die alten Zeiten gesprochen und uns dann entschlossen, wieder zu spielen, weil es einfach gut war und wir alle Spaß speziell an dieser Musik, an diesem Sound haben.
Während andere Bands dann damit zufrieden sind, nur live zu spielen, habt ihr euch entschieden, ein neues Album aufzunehmen. Was war da die Idee dahinter und wie seid ihr auf dem deutschen Label Witchcraft International gelandet?
Eddie Angel: Seit unserer Wiederkehr haben wir auf vielen großen Festivals gespielt, in Australien, Spanien und Las Vegas, und wir dachten, nach 25 Jahren wäre es eine gute Idee, auch wieder mit neuem Material aufzuwarten, sowohl auf der Bühne als auch, um den Leuten etwas mitgeben zu können. Ich war ja in den vergangenen Jahren öfter mal mit Smokestack Lightnin’ unter dem Namen Eddie Angel’s Guitar Party auf Tour und bei stundenlangen Autofahrten hat man genug Zeit, sich über Songideen und so zu unterhalten. Oliver Laich und Felix Schütze von Witchcraft International haben uns dann schließlich das Angebot gemacht, ein Album zu finanzieren und zu veröffentlichen, für das unser Freund Bernie Batke von Smokestack Lightnin’ auch schon einige Ideen hatte.
Sonny George: Jerry, der Sohn von Sam Phillips (Gründer und Betreiber von Sun Records, Anm. d. Red.) ist ein Freund von mir und ich habe ihn angerufen und gefragt, ob sein Sam Phillips Recording Service noch am Laufen ist, weil die Planet Rockers dort ein Album aufnehmen wollen und er sagte „Ja klar, kommt vorbei!“. Dann waren wir für drei Tage dort, Bernie hat uns produziert und wir hatten alle viel Spaß.
Was darf der eingefleischte Planet-Rockers-Fan von dem neuen Album erwarten? Ist das immer noch euer typischer und ureigener „100% Tennessee Rock’n’Roll“ oder hat sich der Sound nach dieser langen Zeit auch verändert?
Eddie Angel: Klar, unser Sound hat sich komplett geändert. (lacht)
Bernie Batke: Ich denke, wir haben natürlich all die Dinge beibehalten, die den Sound der Planet Rockers so einzigartig machen, aber wir haben auch durchaus mit dem Material hier und da experimentiert. „The Return Of The Planet Rockers“ hat sehr viele Momente, die man von den Jungs einfach so erwartet hat, aber hält auch einige neue, interessante Überraschungen bereit, mit denen man vielleicht nicht so rechnen konnte.
Eddie Angel: Wir sind, was wir sind. Wir spielen immer noch so, wie wir uns als Band immer verstanden haben, und es gibt auch keine wirkliche Alternative für uns, anders zu klingen.
Während der Silberling schon erhältlich ist, hat sich die Vinyl-Ausgabe des Albums um einige Monate verzögert. Was hat das für Hintergründe?
Bernie Batke: Die Nachfrage nach Vinyl-Schallplatten ist weiter extrem angestiegen. Die Presswerke sind einfach total überlastet. Deswegen haben wir die Vinyl-Release auch mehrmals verschieben müssen – das ist der einzige Grund.
Auf den Spuren von Sun Records
Wie bereits erwähnt, wurde das neue Album bei Jerry Phillips im Sam Phillips Recording Service, dem Nachfolger der legendären Sun Studios, aufgenommen. Wie kam es denn dazu und was ist das für eine Erfahrung für euch gewesen?
Sonny George: Eddie hat mich eines Tages angerufen und gefragt, ob wir ein neues Album aufnehmen wollen und dass auch Bernie mit von der Partie wäre. Ich war sofort Feuer und Flamme. Wir diskutierten dann die Optionen, wo wir das Album aufnehmen könnten. Jerry hatte mir bei einem Telefonat von seinem Traum erzählt, in dem sein Vater Sam und ich vorkamen. Das war ein Zeichen! Da kam mir bereits die Idee für das Studio. Ich kontaktierte Eddie, Mark und Bill und fragte sie, was sie davon hielten. Alle waren begeistert, aber keiner wollte während der Aufnahmetage hin- und herpendeln. Also mieteten wir ein Haus in Memphis.
Bernie Batke: Der Nachteil war, dass wir die ganze Band aus Nashville, ihrem gewohnten Umfeld, herausbringen und in Memphis einquartieren mussten. Das war schon ein gewisser Aufwand. Auf der anderen Seite waren wir an einem für uns geschichtsträchtigen Platz, um das Album aufzunehmen. Sonny nahm sich nicht einmal ein Hotelzimmer, sondern schlief sogar im

Studio.
Sonny George: Ich habe dort wirklich im Schlafsack übernachtet. Im oberen Stockwerk gibt es eine Bar, die noch genauso aussieht wie damals – das ist wirklich coole Scheiße! Johnny Cash, Elvis und Jerry Lee Lewis haben da immer rumgehangen, als sie Sam Phillips besucht haben, auch nach ihrer aktiven Zeit bei Sun – zumindest am Tresen war ich besser als sie!
Eddie Angel: Das Album dort aufzunehmen, war eine einmalige Chance. Ein wichtiger Aspekt, warum die Scheibe so großartig geworden ist! Jeder sollte sich das mal anhören!
Liebäugeln mit Europa
Spielt ihr eigentlich nur auf den großen Festivals oder macht ihr auch noch kleinere Gigs zum Beispiel in Nashville. Was ist für 2015 noch geplant?
Eddie Angel: Wir möchten einfach weitermachen und versuchen, möglichst viel mitzunehmen, was sich an Gelegenheiten anbietet. Es sind hauptsächlich schon die Festivals auf der ganzen Welt, die wir spielen. Am ersten Maiwochenende spielen wir dann auch auf dem Nashville Blues Festival, zum ersten Mal in unserer Heimatstadt nach über zwanzig Jahren. Da sind wir wirklich gespannt drauf und freuen uns riesig. Das ist ja praktisch bei uns vor der Haustür!
Bernie Batke: Wenn die Platte gut ankommt und gesteigerte Nachfrage nach den Planet Rockers besteht, liebäugelt die Band auch wieder mit Touren in Europa! «
www.facebook.com (The Planet Rockers)Text: Patrick RöhrleBilder: Silvia Schober, Ute Engel, Archiv The Planet Rockers