Gunter Gabriel - happy people have no stories

Dynamite: Gunter, wie geht es deinem Herzen?
Gabriel: Keine Ahnung. Es schlägt. Mir geht es auch gar nicht so schlecht, wie es immer in den Zeitungen stand. Ich bin zwar momentan in ärztlicher Beobachtung, aber es ist nicht so heftig, wie es dargestellt wurde.
DYNAMITE!: Schön zu hören…
Gabriel: Also, mental geht’s mir besser als je zuvor, aber konditionell muss ich was tun. Gut, das sind halt die Kilometer, die man schon runter hat. Deshalb hab ich mir für 2011 vorgenommen: Mehr Disziplin beim Training. Ich hab hier ein Ergometer auf dem Hausboot stehen und da muss ich wieder öfter rauf.
DYNAMITE!: Von Januar bis April stehst du wieder als Johnny Cash auf der Bühne. Ist das nicht schon wieder zu viel des Guten?
Gabriel: Nee. Mir macht das große Freude und deswegen empfinde ich das auch nicht als Belastung. Auf der Bühne von ’nem Theater zu stehen, ist was ganz anderes als als Musiker aufzutreten. Das ist eine tolle Herausforderung. Ich muss mich an die Regieanweisungen halten, ich muss mit meiner Partnerin Helen Schneider harmonieren – aber das macht mir einfach Spaß und das kommt auch gut an: Im Moment ist wieder alles ausverkauft und das ist schon eine große Genugtuung.
DYNAMITE!: Wie war es für dich, Johnny Cash zu spielen? Hattest du Angst, dieser übergroßen Legende nicht gerecht zu werden?
Gabriel: Ich kann Johnny Cash nie gerecht werden – deshalb mach ich mir da auch keine Gedanken drüber. Aber das ist auch gar nicht die Aufgabe. Ich soll nur seine Geschichte erzählen und das funktioniert. In die Vorstellungen kommen drei Gruppen von Leuten. Erstens: Leute, die Johnny Cash kennen, also Fans. Zweitens Leute, für die Johnny Cash ’ne große Unbekannte ist, also Ungläubige (lacht), und dann noch Abonnenten, die eh immer kommen. Und wenn ich dann die ersten Lieder anstimme – „I Walk The Line“, „Folsom Prison Blues“ – dann rasten die Leute völlig aus. Und da ist das dann egal, dass Johnny Cash immer die Ikone über mir war.
DYNAMITE!: Was würde Johnny Cash zu der Ehrfurcht sagen, die du ihm entgegenbringst? In seiner Biografie macht er den Eindruck eines sehr bescheidenen Mannes…
Gabriel: Hundertprozentig richtig. Aber das trifft auf alle diese amerikanischen Cowboys zu. Bescheidenheit sollte man sowieso immer in sich haben – das haben alle guten Leute. Johnny Cash hat mich damals rübergerufen nach Amerika, weil er meinte: „Zeig den Leuten in Deutschland mal, was ich hier eigentlich gemacht habe.“ Und so ist das Album entstanden (Anm. d. Red.: „The Tennessee-Recordings“). Johnny konnte damals schon nur noch mit Gehhilfe und in Begleitung von Schwestern ins Studio kommen. Er war übrigens gar nicht so gesprächig, seine Frau hat wesentlich mehr gesprochen. Aber ich hab auch nicht so richtig gewusst, was ich ihn hätte fragen sollen. Ich meine, was soll man einen Johnny Cash fragen?

DYNAMITE!: In deiner Biografie schreibst du, dass es die Journalisten sind, die einen deutschen Johnny Cash aus dir machen wollen. Du tust aber doch auch nicht viel dagegen, oder?
Gabriel: Aber ich bin nicht Johnny Cash. So wie Peter Kraus niemals Elvis Presley sein wird. Da muss ich ja heute noch drüber lachen – Peter Kraus, der deutsche Elvis (lacht). Und ich könnte niemals Johnny Cash sein. Ich bin auch ein ganz anderer Typ als er. Johnny war ja sehr düster. Ich habe blaue Augen und lache sehr viel. Außerdem hab ich nicht so ’ne Koksnase wie er und ich bin auch nie in ’ne Höhle gekrochen, um zu sterben. Gut, wir singen beide über Outlaws, Außenseiter. Ich spiele auch für Leute im Knast und engagiere mich da sehr. Aber ich habe letztens die Biografie von Marlon Brando gelesen und da auch Parallelen gefunden. Und die von Kinski auch – und dann habe ich gedacht: „Verdammt, so ein bisschen Kinski steckt auch in mir!“
Das komplette Interview gibt es in der DYNAMITE 02/11. Text: Oliver WagnerBilder: Warner Music